Der Normative Strategieraum: Fundament einer ganzheitlichen Unternehmensstrategie

Der normative Strategieraum ist ein zentraler Bestandteil jeder Unternehmensstrategie, besonders auf den oberen Strategieebenen wie Corporate und Geschäftsbereich sowie in den Geschäftsfeldern und funktionalen Bereichen. Er setzt den kontextuellen Rahmen für das gesamte Unternehmen oder einzelne Bereiche und spiegelt sich idealerweise in jeder Funktion und Entität wider. Normative Strategieelemente definieren die grundlegenden Leitplanken, an denen sich das Handeln und die Ausrichtung der Organisation orientieren.

Paradigmen und Trends als Richtungsweiser

Im normativen Strategieraum werden höherwertige Kontexte wie Paradigmen und Trends berücksichtigt, die sich in der Vision und Mission der Organisation widerspiegeln. Diese Paradigmen sind entscheidend für die geschäftliche Ausrichtung und geben vor, wie das Unternehmen seine Mission versteht und umsetzt. Sie gelten nicht nur für die übergeordnete Geschäftsmission, sondern auch für funktionale Paradigmen in den Bereichen Daten, Technologie und Prozesse.

Besonders im Kontext der Digitalisierung und der Entwicklung intelligenter Organisationen gewinnen diese funktionalen Paradigmen an Bedeutung. Mit dem Fortschritt der künstlichen Intelligenz und Automatisierungsparadigmen der kommenden Jahrzehnte dient der normative Strategieraum als Orientierungshilfe. Er definiert, wie Unternehmen technologische Entwicklungen und digitale Transformation in ihre Geschäftsstrategien und -prozesse integrieren, um nachhaltig und wettbewerbsfähig zu bleiben.

Werte und Prinzipien als Handlungsgrundlage

Auf kontextueller Ebene definieren Vision und Mission vor dem Hintergrund von Paradigmen, Trends sowie sozialen und gesellschaftlichen Kontexten sowohl die Werte als auch die Prinzipien des Unternehmens.

Werte:

  • Grundlegende Überzeugungen, die das Verhalten und die Entscheidungen des Unternehmens leiten.
  • Stellen die moralische und ethische Grundlage dar (z. B. Integrität, Respekt, Ehrlichkeit).
  • Variieren je nach Kultur und Unternehmensphilosophie.
  • Haben einen langfristigen und universellen Charakter.
  • Definieren das „Warum“ des Handelns im Unternehmen.

Prinzipien:

  • Regeln oder Leitlinien, die aus den Werten abgeleitet werden und das Handeln konkretisieren.
  • Geben an, wie diese Werte in bestimmten Situationen umgesetzt werden sollen (z. B. Transparenz in der Kommunikation, Fairness gegenüber Mitarbeitenden).
  • Sind spezifischer und oft als Standards formuliert, die in Richtlinien und Prozessen umgesetzt werden.
  • Sind oft anpassungsfähig, um auf Veränderungen und spezifische Anforderungen zu reagieren.
  • Definieren das „Wie“ des Handelns im Unternehmen.

Integration über alle Strategieebenen hinweg

Im normativen Strategieraum finden sich grundsätzliche Rahmenbedingungen für alle weiteren Strategieräume. Auf der obersten Ebene, dem Corporate Level, beeinflussen sich die Strategieräume stark und sind nicht immer klar voneinander zu trennen. Allerdings werden die Räume in unterschiedlicher Verantwortlichkeit über die Ebenen hinweg ausgefüllt. Während die obere Ebene oft vom Management entwickelt wird, liegt die normative Strategie und die grundsätzliche Ausrichtung des Unternehmens meist in der Hand der Strategieabteilung oder des Vorstands.

Mit der Digitalisierung und der sogenannten Multitransformation hat sich die Strategiearbeit verändert. Die Dimensionen Technologie, Prozess, Organisation und Daten müssen als strategische Elemente mitgedacht werden. Dies erfordert eine enge Zusammenarbeit, die häufig noch zu wenig stattfindet. Transformationsdimensionen und das Betriebsmodell werden oft nachgelagert behandelt, was schwer korrigierbare Konsistenzfehler in der Gesamtstrategie zur Folge haben kann. Strategische Abteilungen stehen daher vor der Herausforderung, ihre Kompetenzen in diesen Bereichen zu erweitern. Andernfalls können destabilisierende Zielkonflikte in der Operationalisierung auftreten, angefangen bei unzureichender Investitionssicherung in die Transformation.

Normierung im Geschäftsmodell

Vision, Mission, Purpose und Kulturfragen beziehen sich primär auf das Geschäftsmodell und definieren, welchen Wertbeitrag das Unternehmen in seiner Umwelt hat. Die Art und Weise, wie das Unternehmen mit Pricing, Produktentwicklung, Vertrieb und Marketing umgeht, ergibt sich aus dem normativen Strategieraum, den zugrunde liegenden Paradigmen sowie den abgeleiteten Werten und Prinzipien. Neben den inspirativen Funktionen muss im normativen Raum auch der betriebswirtschaftliche Rahmen und das Ambitionsniveau für den geschäftlichen Erfolg eindeutig festgelegt werden, einschließlich Einnahmequellen und Portfoliomanagement.

Normierung im Betriebsmodell

Normen im Bereich Daten, Prozesse, Organisation und Technologie wirken vor allem auf das Target Operating Model (TOM). Diese funktionalen Normen stellen sicher, dass Vision, Mission und Purpose im Rahmen der funktionalen Anforderungen des Unternehmens umgesetzt werden können. Unterschiede im institutionellen oder internationalen Kontext, beispielsweise durch Regularien, müssen normativ bedacht werden. Unklarheiten in diesem funktionalen normativen Raum können zu erheblichen Konfliktrisiken führen, einschließlich technologischer Schattenstrukturen, ineffizienter Datennutzung und einer Destabilisierung der Kollaborationsfähigkeit der Organisation.

Kundenzentrierung und Markenstrategie

Die Perspektive auf den Konsumenten, die Beziehungskultur, die Marke und deren Architektur sowie die kommunikative Wirkung nach außen sind Ausdruck des Geschäftsmodells und der Zielsetzung. Unter diesen Bereich fallen auch strategische Normen rund um Customer Experience (CX) und Kundenzentrierung. Die Art und Weise, wie und was ein Unternehmen kommuniziert, ist essenziell für seinen Erfolg. In Transformationsphasen besteht oft hoher Anpassungsbedarf, insbesondere in Bereichen wie Automatisierung und Personalisierung. Hier kommen Geschäfts- und Betriebsmodell zusammen: Das Geschäftsmodell definiert, wie durch neue Produkt- und Servicelogiken mehr Geschäftserfolg generiert werden soll, während Daten, Technologie, Prozesse und Organisation dies ermöglichen, um eine neue Beziehung zum Kunden aufzubauen.

Bedeutung von Normen und Unternehmenskultur

Normen sind allgemein anerkannte Regeln, Standards oder Prinzipien, die das Verhalten von Individuen oder Organisationen steuern. Sie fördern Konsistenz und Harmonie in Abläufen. Formelle Normen sind offiziell verabschiedete Regeln und Standards, wie beispielsweise DSGVO und ISO-Normen. Sie sorgen für Klarheit und Verbindlichkeit. Informelle Normen sind ungeschriebene Regeln, die sich aus sozialen Erwartungen oder kulturellen Werten ergeben.

Das Geschäftsziel ist die relevanteste Norm im Unternehmen und muss daher verbindlich geklärt sein. Zusammen ergeben diese Normen den Unternehmenskontext und finden Ausdruck in der Kultur des Unternehmens. Da sich Kultur nicht verschreiben lässt, sondern sich im täglichen Tun und in der zwischenmenschlichen Interaktion ausdrückt und entwickelt, ist der normative Strategieraum die Voraussetzung für einen Wandel der Unternehmenskultur. Eine iterative Weiterentwicklung des normativen Raums und eine dauerhafte Aktualisierung der Rahmenbedingungen sind erforderlich, um die Verbindung der Normen mit dem tatsächlichen Unternehmensfortschritt sicherzustellen.

Aufbau einer starken Unternehmenskultur

Für eine gute Kultur ist es zentral, dass der normative Strategieraum klar, eindeutig und für jeden verständlich kommuniziert wird. Er muss die Handlungen und Entscheidungen jedes Einzelnen bis in die spezifischen Rollen prägen. Formelle und informelle Normen sollten Hand in Hand gehen. Ein klar definierter normativer Strategieraum ermöglicht es Mitarbeitenden, sich mit den Zielen und Werten des Unternehmens zu identifizieren und diese eigenverantwortlich umzusetzen.

Kultur lässt sich nicht einfach verordnen, da sie ein lebendiges Geflecht aus Überzeugungen, Werten, Verhaltensweisen und unausgesprochenen Regeln ist. Sie entsteht durch das Zusammenspiel formeller Strukturen, informeller Dynamiken und vor allem durch das Vorbildverhalten der Führungsebene. In einem systemischen Ansatz entwickeln sich Verhaltensweisen und Kultur durch ständige Rückkopplung zwischen den Elementen des Unternehmens. Kultur ist somit ein lebendiger Ausdruck der Verbindungen und Wechselwirkungen innerhalb des Unternehmens.

Systemische Transformation und das „Watch while being watched“-Prinzip

Ein Unternehmen, das sich systemisch transformiert, entwickelt sich nicht nur technologisch, sondern auch strukturell und kulturell weiter. Das „Watch while being watched“-Prinzip wird auf allen Ebenen verankert: Von der Geschäftsführung, die die Gesamttransformation steuert, über die mittlere Führungsebene bis hin zu den einzelnen Teams, die sich gegenseitig beobachten und voneinander lernen. Diese wechselseitige Beobachtung stärkt die Vernetzung und sorgt für eine effizientere und nachhaltigere Transformation. Jeder Akteur passt sein Verhalten an und beeinflusst gleichzeitig andere, was gemeinsames Lernen und Fortschritt im gesamten System ermöglicht.

Funktionale Normen in der Transformation

In der Transformation spielen funktionale Normen eine entscheidende Rolle. Die Inhalte der Transformationsdimensionen im funktionalen Raum—Daten, Prozesse, Technologie und Organisation—sind normativ gesehen eigene Definitionsbereiche. Diese beinhalten eine Reihe relevanter Unterthemen, die geklärt werden müssen, um die Transformation erfolgreich zu gestalten. Oft scheitert die Kaskadierung der Transformationsstrategie an ungeklärten funktionalen Normstrategien.

KI-Strategie als integraler Bestandteil

Jüngst sind die KI-Strategie und deren ethische Grundsätze sowie Leitlinien für Automatisierung und Digitalisierung als allumfassende Paradigmen hinzugekommen, ähnlich wie die Nachhaltigkeitsstrategie. Beide Themen durchziehen alle Strategieräume und -ebenen und müssen normativ gerahmt werden. KI stellt die bisher größte Veränderung dar und gilt als finale Stufe der Digitalisierung. Daher ist ihre Integration auf allen Ebenen der Strategie besonders wichtig.

Wie schnell und konsequent ein Unternehmen seine Rahmenparadigmen um den Umgang mit KI erweitert und den Kontext ganzheitlich in der Kultur verankert, bestimmt seinen zukünftigen Erfolg. Es ist notwendig, sich diesen Fragestellungen zu stellen. Während KI aktuell vor allem operativ diskutiert wird, muss es parallel eine substantielle, ganzheitliche Auseinandersetzung im Unternehmen geben. Unternehmen, die KI nur zur Produktivitätssteigerung einsetzen, könnten Chancen verpassen, während neue Player mit „KI at heart“ einen Vorsprung erlangen.

KI im Geschäfts- und Betriebsmodell

KI beeinflusst nicht nur die strukturelle Aufstellung des Unternehmens, Teams, Prozessoptimierung, Datenverarbeitung und Technologieeinführung zur Verbesserung interner Funktionen. Im Bereich Geschäftsmodell muss KI eingesetzt werden, um die klassischen 4P (Product, Price, Place, Promotion) markt- und zukunftsfähig zu gestalten. Die Verbindung von Geschäfts- und Betriebsmodell bietet Unternehmen die Chance zur Differenzierung. Im KI-Zeitalter ist Differenzierung wichtiger als reine Produktivität, die leichter zu imitieren ist.

Der normative Strategieraum definiert, wie KI in der Differenzierungsstrategie des Unternehmens verankert wird und die Wachstumsfunktionen beeinflusst. Neue KI-basierte Geschäftsmodelle werden in einigen Märkten weniger intelligente Produkt- und Serviceangebote verdrängen, da sie Kostenvorteile bieten und unvergleichliche Angebote schaffen. Die Verbindung von Geschäfts- und Betriebsmodell erfolgt im normativen Strategieraum über eine klare Strategische Erfolgsposition (SEP).

Einfluss von KI auf Kundenbeziehungen und Customer Experience

KI wird zukünftig die Interaktionen und deren Wirkung in der Kundenbeziehung prägen. Sie hat einen großen Einfluss darauf, wie Marken interagieren, wie Insights generiert werden und wie sich die grundlegende Consumer- und CX-Strategie entwickelt. Trotz der gestiegenen Bedeutung von Customer Experience fehlt es oft an normativer Klarheit, was zu Lücken in Strategie und Umsetzung führt. Eine starke normative Verankerung ist entscheidend, um Markenwerte konsistent in Kundeninteraktionen zu spiegeln und auf individuelle Bedürfnisse einzugehen.

Eine systemische Herangehensweise, die sowohl Top-Down- als auch Bottom-Up-Perspektiven integriert, ermöglicht eine kohärente und flexible CX-Strategie. Diese kann mit dynamischen Marktanforderungen und technologischen Entwicklungen Schritt halten.

Der normative Strategieraum bildet das Fundament für eine ganzheitliche und zukunftsfähige Unternehmensstrategie. Durch klare Werte, Prinzipien und Normen schafft er den Rahmen, in dem Geschäftsmodell, Betriebsmodell und Kundenbeziehungen erfolgreich gestaltet werden können. Die Integration von KI und anderen Metathemen erfordert eine umfassende normative Verankerung, um nachhaltigen Erfolg zu gewährleisten. Unternehmen, die diese Herausforderung annehmen und den normativen Strategieraum aktiv gestalten, sind besser positioniert, um in einer sich schnell verändernden Welt wettbewerbsfähig zu bleiben.