Die Entwicklung der Kundenzentrierung: Von der Service-Dominant Logic zur Customer-Dominant Logic

Die Einführung einer kundenzentrierten Sicht- und Handlungsweise stellt für viele Unternehmen nach wie vor eine erhebliche Herausforderung dar. In den letzten Jahrzehnten hat sich mit der Service-Dominant Logic (SD-Logik) ein neues wirtschaftliches Paradigma etabliert, das den Kunden und dessen Erfahrung in den Mittelpunkt der Wertschöpfung rückt. Die SD-Logik geht davon aus, dass der Wert eines Produkts oder einer Dienstleistung nicht allein durch das Produkt selbst entsteht, sondern durch die Interaktion zwischen Kunde und Unternehmen. Es ist hinlänglich bewiesen, dass die Hinwendung zum Kunden keine Option, sondern eine unmittelbare Notwendigkeit für den langfristigen Erfolg eines Unternehmens ist.

Von der Produktorientierung zur Service-Dominant Logic

Die SD-Logik, entwickelt von den Marketingwissenschaftlern Stephen Vargo und Robert Lusch in den frühen 2000er Jahren, verlagert den Fokus von einer traditionellen, produktorientierten Sichtweise hin zu einer service- und wertschöpfungsorientierten Perspektive. Der Begriff „Service“ bezieht sich hier nicht nur auf den klassischen Dienstleistungssektor, sondern auf den Akt der Wertschöpfung durch den Einsatz von Fähigkeiten und Ressourcen im Interesse eines anderen.

Kernprinzipien der SD-Logik:

  • Ko-Kreation von Wert: Der Wert wird nicht einseitig durch das Unternehmen geschaffen, sondern entsteht durch die Interaktion und Zusammenarbeit zwischen Kunde und Unternehmen. Der Kunde ist aktiv in den Wertschöpfungsprozess eingebunden.
  • Nutzung statt Besitz: Der Wert eines Produkts oder einer Dienstleistung realisiert sich erst durch die tatsächliche Nutzung durch den Kunden, nicht allein durch den Verkauf oder die Bereitstellung.
  • Austausch von Wissen und Fähigkeiten: Die SD-Logik betrachtet den Austausch von Ressourcen, insbesondere Wissen und Fähigkeiten, als zentral für die Wertschöpfung.
  • Gleichzeitigkeit von Produktion und Konsum: Produktion und Konsum finden oft gleichzeitig oder überlappend statt, beispielsweise bei Dienstleistungen oder interaktiven Produkten.

Die nächste Evolutionsstufe: Customer-Dominant Logic

Mit der Weiterentwicklung kundenorientierter Ansätze hat sich die Customer-Dominant Logic (CD-Logik) als nächste Evolutionsstufe etabliert. Die CD-Logik setzt den Kunden noch stärker in den Mittelpunkt, indem sie die Nutzungskontexte und die alltägliche Erfahrung des Kunden fokussiert. Während die SD-Logik die gemeinsame Wertschöpfung durch Interaktionen betont, sieht die CD-Logik den Kunden selbst als die treibende Kraft der Wertschöpfung.

Kernprinzipien der CD-Logik:

  • Integration in den Alltag: Der Wert entsteht durch die Art und Weise, wie der Kunde Produkte und Dienstleistungen in sein tägliches Leben integriert und nutzt – unabhängig von der direkten Interaktion mit dem Unternehmen.
  • Kundenperspektive: Die CD-Logik konzentriert sich auf die Perspektive des Kunden und darauf, wie dieser Produkte und Dienstleistungen erlebt und nutzt.
  • Kontextabhängiger Wert: Der Wert eines Produkts oder einer Dienstleistung entsteht im Kontext der Bedürfnisse und Situationen des Kunden.
  • Autonomie des Kunden: Der Kunde wird als autonomer Entscheider gesehen, der den Wert unabhängig vom Unternehmen bestimmt.

Herausforderungen für Unternehmen

Trotz der offensichtlichen Vorteile einer kundenzentrierten Ausrichtung fällt es besonders etablierten Unternehmen schwer, diesen Wechsel zur CD-Logik zu vollziehen. Die Gründe hierfür sind vielfältig:

  1. Kultureller Wandel: Viele Unternehmen sind stark produkt- oder technikorientiert. Eine kundenorientierte Denkweise auf allen Ebenen zu etablieren, erfordert eine tiefgreifende kulturelle Transformation und ein Umdenken bei den Mitarbeitern und Führungskräften.
  2. Abteilungssilos: Silos zwischen verschiedenen Teams wie Marketing, Vertrieb, Kundendienst und IT hindern die effektive Umsetzung einer ganzheitlichen Kundenstrategie. Ohne klare Koordination und einen gemeinsamen Fokus auf den Kunden bleiben wichtige Kundenerkenntnisse ungenutzt.
  3. Datenintegration: Kundenzentrierung erfordert den Zugang zu umfassenden und integrierten Kundendaten. Viele Unternehmen kämpfen damit, ihre über verschiedene Systeme und Abteilungen verteilten Datenquellen zu verknüpfen. Ohne eine einheitliche Sicht auf den Kunden ist es schwierig, die Customer Journey zu optimieren.
  4. Veraltete Systeme und Prozesse: Ältere IT-Infrastrukturen und starre Prozesse behindern die notwendige Flexibilität, um auf sich schnell ändernde Kundenbedürfnisse zu reagieren. Die Implementierung moderner, kundenzentrierter Ansätze wird dadurch erheblich verlangsamt.
  5. Mangel an modernen Technologien: Künstliche Intelligenz (KI), Automatisierung, Customer Data Platforms (CDPs) und CRM-Systeme sind essenzielle Werkzeuge für eine personalisierte Customer Experience. Unternehmen, die nicht ausreichend in diese Technologien investieren, riskieren, hinter ihren Wettbewerbern zurückzubleiben.
  6. Fehlende Abstimmung zwischen Abteilungen: Ohne klare Koordination entstehen inkonsistente Kundenerfahrungen, da unterschiedliche Teams unterschiedliche Prioritäten setzen.
  7. Messbarkeit und KPIs: Viele Unternehmen haben Schwierigkeiten, die richtigen Kennzahlen (KPIs) zu definieren, um den Erfolg ihrer kundenorientierten Initiativen zu messen. Ohne klare Metriken ist es schwer, den wirtschaftlichen Nutzen der Kundenorientierung zu demonstrieren und Bereiche für Verbesserungen zu identifizieren.
  8. Widerstände im Veränderungsprozess: Die Transformation zu einem kundenorientierten Unternehmen kann auf Widerstand bei Mitarbeitern stoßen, die an etablierten Prozessen festhalten.

Die Notwendigkeit der Kundenzentrierung

Trotz dieser Herausforderungen ist Kundenzentrierung unverzichtbar. Unternehmen, die den Kunden als treibende Kraft der Wertschöpfung anerkennen, schaffen nicht nur bessere Erlebnisse, sondern auch eine nachhaltigere Bindung. Die Weiterentwicklung von der SD-Logik zur CD-Logik zeigt, dass Customer Centricity nicht nur die Zusammenarbeit mit dem Kunden bedeutet, sondern dass der Kunde selbst den Wert generiert, der im Produkt oder der Dienstleistung entsteht.

Unternehmen, die diesen Wandel verstehen und in ihre Strategien integrieren, sichern ihre langfristige Wettbewerbsfähigkeit und erschließen neue Potenziale in einer dynamischen, digitalisierten Welt.

Fazit

Die Verschiebung von einer produktzentrierten zu einer kundenzentrierten Denkweise ist für den nachhaltigen Erfolg von Unternehmen unerlässlich. Die Customer-Dominant Logic stellt den Kunden in den Mittelpunkt und betont die Bedeutung der alltäglichen Nutzung von Produkten und Dienstleistungen im Leben des Kunden.

Um diesen Wandel erfolgreich zu gestalten, müssen Unternehmen bereit sein, ihre Unternehmenskultur, Prozesse und Systeme anzupassen. Die Überwindung von Abteilungssilos, die Integration moderner Technologien und die Förderung einer kundenorientierten Kultur sind entscheidende Schritte auf diesem Weg.

Nur durch eine konsequente Ausrichtung auf den Kunden können Unternehmen in einer zunehmend komplexen und digitalen Welt bestehen und ihre Wettbewerbsfähigkeit langfristig sichern.