Roger Martins Artikel „Strategy, Strategy Everywhere“ wirft ein kritisches Licht auf die inflationäre und oft ungenaue Nutzung des Begriffs „Strategie“ in Unternehmen. In Martins Ansicht bedeutet Strategie nicht, dass jede wichtige Initiative, jedes Thema oder jede Herausforderung als separate „Strategie“ behandelt wird. Vielmehr beschreibt er Strategie als den zentralen Ansatz eines Unternehmens, sich im Markt zu positionieren und langfristigen Erfolg zu sichern. Die Ausweitung des Begriffs auf eine Vielzahl isolierter „Strategien“, wie eine „Customer Experience Strategie“ oder „AI Strategie“, verwässert laut Martin die strategische Ausrichtung und führt zu einem „Strategie-Overload“, der Organisationen überfordert und den eigentlichen strategischen Fokus untergräbt.
Im Kontext des oben beschriebenen Textes und der in vielen Beratungsangeboten propagierten Begriffe wird dieses Problem besonders deutlich. Begriffe wie „Customer Experience Strategie“ oder „AI Strategie“ werden oft isoliert betrachtet und suggerieren eigenständige strategische Säulen. Dabei wird nicht immer geklärt, ob und wie sie in die Gesamtstrategie des Unternehmens eingebunden sind. Viele Unternehmen laufen daher Gefahr, dass diese Themen ohne übergeordneten Zusammenhang und ohne klare strategische Einbindung implementiert werden. Dies führt nicht nur zu Schwierigkeiten bei der Integration, sondern erhöht auch die Wahrscheinlichkeit eines geringen Return on Investment (ROI), wie der Text treffend beschreibt.
Martin betont, dass Strategie im Kern eine Entscheidungsebene darstellt, auf der das Unternehmen fundamentale Richtungsentscheidungen trifft. In diesem Sinne sollten Customer Experience oder AI nicht als eigenständige Strategien, sondern als strategische Paradigmen betrachtet werden, die die Unternehmensstrategie in allen Ebenen und Prozessen prägen. Customer Experience und AI stellen Prinzipien dar, die sich durch sämtliche Strategieräume – von der Geschäftsentwicklung über das Target Operating Model bis hin zur Kundeninteraktion – ziehen sollten. Sie beeinflussen sowohl die normative Ausrichtung des Unternehmens (Wofür stehen wir als Unternehmen?) als auch die instrumentellen Aspekte (Wie setzen wir dies operativ um?).
Dieser Mangel an Integration zeigt sich laut dem Text in den letzten Jahren zunehmend in enttäuschenden Projekt-ROI-Zahlen. Ohne eine ganzheitliche Einbindung in die Gesamtstrategie bleiben solche Initiativen isoliert und entfalten ihre Wirkung nicht vollständig. Ein reines „AI-Projekt“ oder eine „Customer Experience Initiative“ kann ohne einen integrierten strategischen Rahmen nicht die gewünschten Effekte erzielen, da es ihm an Verankerung in der operativen Umsetzung und im strategischen Kontext mangelt.
Martin plädiert für eine kohärente und integrative Strategie, in der neue Anforderungen und Paradigmen in die übergeordnete strategische Ausrichtung des Unternehmens eingebettet sind. Unternehmen sollten daher sicherstellen, dass Themen wie AI und Customer Experience als zentrale, aber durchgängige Bestandteile ihrer Strategie verstanden werden, statt sie als einzelne, unabhängige „Strategien“ zu behandeln. Das würde bedeuten, dass Customer Experience nicht als isoliertes Thema betrachtet wird, sondern die Art und Weise prägt, wie die gesamte Organisation vom Geschäftsmodell über Prozesse bis hin zur Kundenschnittstelle funktioniert. Ebenso sollte eine AI-Initiative nicht nur technologisch orientiert sein, sondern in alle Prozesse und Entscheidungsfelder integriert werden, um Wertschöpfung und Innovationskraft im gesamten Unternehmen zu fördern.
Abschließend unterstreicht der Artikel und Martins Kritik, wie wichtig es ist, die strategische Konsistenz zu bewahren. Unternehmen sollten sicherstellen, dass neue Themen als Paradigmen im Sinne von Leitprinzipien behandelt und über alle strategischen Ebenen hinweg verankert werden. Nur so können Projekte wie Customer Experience oder AI tatsächlich Wert schaffen und zu einer nachhaltigen Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens beitragen. Eine „Strategie“ im Sinne Martins ist keine bloße Sammlung separater Initiativen, sondern eine kohärente Ausrichtung des Unternehmens, in der alle Themen integrativ zum Gesamtbild beitragen.